Unterwegs mit einem Auditor
Kommt ein Auditor als Durchführungsorgan in den Betrieb, zum Beispiel im Auftrag der Suva oder eines Arbeitsinspektorats, hat er durchaus einige Macht und könnte den Betrieb einstellen, wenn Leib und Leben gefährdet sind.

Kommt ein Auditor als Durchführungsorgan in den Betrieb, zum Beispiel im Auftrag der Suva oder eines Arbeitsinspektorats, hat er durchaus einige Macht und könnte den Betrieb einstellen, wenn Leib und Leben gefährdet sind. Wenn Pascal Schori von der sécurité+santé gmbh ein Audit durchführt, hat er aber meistens eine beratende Funktion und geht als Helfer im Unternehmen zusammen mit dem Kunden auf Lösungssuche, um Unfälle verhindern zu können.
Er wetzt dabei nicht gleich wild durch die Räumlichkeiten, sondern setzt sich erst einmal mit dem Geschäftsführer an einen Tisch im Sitzungszimmer. Er fragt nach den Gefahren im Betrieb, nach der Betriebsgrösse, nach allfälligen Lernenden und nach den Tätigkeiten. So kann er das Unternehmen in eine Kategorie einstufen und die passenden Fragen aus seinem Fragenkatalog stellen. Schori will unter anderem wissen, ob es einen Sicherheitsbeauftragten oder eine Kontaktperson für Arbeitssicherheit (KOPAS) gibt – jemanden mit einem Grundwissen in diesen Themen. «Ich muss erkennen, ob jemand eine Gefährdungsbeurteilung machen kann», sagt er. «Denn bevor man Regeln aufstellen und durchsetzen kann, muss man die Gefährdungen erkennen können.» Eine grundsätzliche Gefährdungsermittlung für Bürobetriebe umfasst 25 Themen rund um Dinge wie Stolpern, Rutschgefahren, Glastüren, Notausgänge, Ergonomie, Überwachung, Arbeitsorganisation, Erste Hilfe, Notfallkonzept und vieles mehr. «Wichtig ist, dass diese 25 Punkte jedes Jahr überprüft werden», sagt Schori. «Man kann das mit der Kontrolle der Betriebsapotheke kombinieren und beispielsweise einen Safety Day einberufen, an dem man sich um all diese Themen kümmert.»
Betriebsapotheke: Ablaufdatum und Medikamente im Fokus
Erst nach rund 20 Minuten Gespräch startet Schori zu einem Rundgang durch die Räumlichkeiten. Er achtet dabei unter anderem auf Ergonomie, Stolperfallen, Reinigungsmittel, Gefahrstoffe, Löschdecken, Fluchtwege und Ähnliches. Bald will er wissen, wo die Betriebsapotheke ist. Er findet sie in einer Schublade mit einem klitzekleinen Kleber mit dem internationalen Piktogramm für Erste Hilfe darauf. Schori konstatiert, dass dies nicht ausreichend ersichtlich ist. Er überprüft zuerst das Ablaufdatum des Materials und weist darauf hin, dass mindestens jedes Jahr kontrolliert werden muss, ob das Material noch gut ist und ob die Betriebsapotheke komplett ist. Schori fragt nach Schmerzmitteln oder Ähnlichem, das es in unserem Beispielbetrieb nicht gibt. Dafür gibt es eine Salbe, die eine Medikamentenvignette D trägt. Schori betont, dass man als Nichtmediziner gemäss Heilmittelgesetz keine solchen Produkte an Mitarbeitende abgeben darf.
Schori achtet akribisch auf Details, die im Alltag und durch eine sich langsam einstellende, sogenannte Betriebsblindheit selbst für sensibilisierte Geschäftsleiter und Mitarbeitende schwer zu erkennen sind. Dabei spricht er auch mit den Mitarbeitenden, zum Beispiel über renitente Kunden, über das Wissen rund um das Verhalten im Brandfall, über die Einhaltung der Pausen und Arbeitszeiten und über allfällige Videoüberwachungssysteme. Weitere Themen, die Pascal Schori auf den Tisch legt, sind beispielsweise der Schutz der persönlichen Integrität, Mobbing, sexuelle Belästigung oder Freizeitunfälle.
«Unfälle passieren nicht, sie werden verursacht»
Schliesslich sind wir so weit: Punkt 5 der elf Punkte eines ASA-Konzeptes – die Gefährdungsbeurteilung – ist durchgespielt. Der Rundgang war verhältnismässig kurz, in grösseren und produzierenden Betrieben kann das deutlich länger dauern. Aber obwohl man in einem kleineren Büro kaum Gefahren erwarten würde, konnten einige Verbesserungspunkte ausgemacht werden. «Wenn man mittendrin ist, sieht man die Kleinigkeiten nicht mehr», sagt Schori. «Deshalb tun externe Blickwinkel gut. Ein Audit soll etwas Positives sein und dabei helfen, weiterzukommen. Viele Unternehmen haben zudem das Gefühl, alles im Griff zu haben, doch sie haben nichts davon dokumentiert. Wenn etwas passiert, kommen sie in Beweisnot.» Ausserdem seien sich viele Unternehmer ihrer Verantwortung gar nicht bewusst.
Was Pascal Schori ganz wichtig ist: «Unfälle passieren nicht, sie werden verursacht. Es gibt immer eine Ursache für einen Unfall. Das muss man begreifen!» Auch deshalb muss man nicht darauf warten, dass ein offizielles Audit stattfindet oder sich sogar ein Unfall ereignet. Man darf durchaus proaktiv auf Auditoren zugehen und gemeinsam einen Rundgang machen, um Unfallursachen zu reduzieren oder zu eliminieren. Daraus kann man viel lernen und schützt sich als Arbeitgeber selbst und seine Mitarbeitenden.