Erste Hilfe nach einem Amoklauf oder Terrorakt

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Die meisten Nachrichten über Amokläufe und terroristische Akte erreichen uns zwar aus dem Ausland. Aber es gibt sie auch hierzulande. Sich vorzubereiten ist schwierig.

In unsere Erinnerungen eingebrannt hat sich beispielsweise das Zuger Attentat im Jahr 2001, wo 14 Politiker:innen und der Amokläufer starben. Oder der Fall in der Zürcher Kantonalbank im Jahr 2004, als ein Kadermann 2 Vorgesetzte und sich selbst erschoss. Oder der Amoklauf in der Firma Kronospan in Menznau, als im Jahr 2013 3 Menschen starben und 7 teils schwer verletzt wurden.

Eines Tages wird es leider einen nächsten Fall geben. Sich darauf vorzubereiten ist schwierig. Auch was die Erste Hilfe angeht. Trotzdem: versuchen wir es.

1. Eigenschutz und Alarmierung

Wie immer gilt als erstes natürlich: Eigenschutz und Alarmierung. Es bringt nichts, während einem Amoklauf mitten ins Kreuzfeuer zu rennen, um jemandem zu helfen – ein toter Retter ist kein Retter. Ersthelfer müssen sich selbst in Sicherheit bringen und - wenn möglich - sofort die Polizei alarmieren, die auch den Rettungsdienst aufbieten kann.

Tipp: Wenn man sich hinter dem Auto verschanzt, dann am besten immer hinter dem Motorblock, dort ist es am sichersten.

2. Blutungen stillen

Was Ersthelfer nach einem Amoklauf oder Terrorakt in der Regel vorfinden, sind viele Verletzte. Manchmal sehr viele Verletzte. Sie finden sich häufig grossflächig verteilt und die meisten beklagen Schusswunden, Blutungen oder abgetrennte Gliedmassen. Bei allen eilt es. Es gilt also, in kürzester Zeit möglichst viele Menschen effizient erstversorgen zu können und dabei nicht in Panik zu geraten.

Nun geht es vor allem um Druck, um die Blutung zu stillen. Dabei helfen vor allem 2 Produkte: Druckverbände und Tourniquets. Ein Druckverband kann so angebracht werden, dass man sich unmittelbar danach um das nächste Opfer kümmern kann. Notfalls helfen auch Stofffetzen, die man mit der Handfläche direkt auf die Wunde drückt, um die Blutung zu stillen. Ersthelfer sollten sich keine Gedanken darüber machen, wenn sie keinen sterilen Verband zur Hand haben oder ihre Hände schmutzig sind. Infektionen können später noch behandelt werden. Allerdings sollten sich Ersthelfer vor dem Blut der Patienten schützen und wenn irgendwie möglich Handschuhe tragen.

Vorsicht bei Tourniquets: Sie sollten nicht leichtfertig angebracht werden, da sie durchaus zum Verlust der Gliedmasse führen können. Diese Aderpressen sollten nur bei sehr starken Blutungen eingesetzt werden – zwischen der Wunde und dem Herzen, so nah an der Wunde wie möglich. Der Druck ist dann richtig, wenn die Wunde nicht mehr stark blutet. Mehr Druck braucht es nicht.

Verletzte Gliedmassen sollten hochgelagert werden, um die Blutzirkulation zu reduzieren. Mit direktem Druck auf die Wunde kann die Blutung gestillt werden. Neben dem direkten Druck kann eine Blutung auch mittels indirekten Drucks gestillt werden, nämlich auf die für die Wunde zuführende Arterie.

Achtung: Schusswunden gehen häufig auch mit Verletzungen der Wirbelsäule einher – bei einem Verdacht auf eine solche Verletzung sollten die Opfer nicht bewegt werden, ausser es ist absolut notwendig.

3. Schock

Schusswunden führen häufig zu einem Schockzustand aufgrund von grossen Blutverlusten. Deshalb gilt es zu versuchen, die Blutung zu stillen und die Körpertemperatur des Opfers stabil zu halten.

Ersthelfer müssen die Betroffenen dann bestmöglich betreuen und versuchen, mit ihnen zu reden – beispielsweise über die nahende Hilfe, über Vorerkrankungen wie zum Beispiel Hämophilie («Bluter»), Allergien oder über Medikamente der Patienten. Neben der Betreuung kann man so wichtige Informationen für die weitere Behandlung sammeln. Ausserdem sollte der Blutdruck und Puls stetig überwacht werden.

Während der Rettungsdienst naht, sollten Ersthelfer:innen an die ABCDE-Regel denken und diese 5 kritischen Faktoren laufend überprüfen. Das ABCDE-Schema ist ein Leitfaden in der Ersten Hilfe, zur effizienten Beurteilung und Behandlung von Patienten. Es steht für folgende Faktoren:

  • Atemwege (Airway)
  • Atmung (Breathing)
  • Kreislauf (Circulation)
  • Neurologischer Status (Disability)
  • Exposition/Umwelt (Exposure/Environment)

Sobald der Rettungsdienst vor Ort ist, kann man ihn über die bisher geleistete Erste Hilfe informieren.

Danach: Verarbeiten ist unerlässlich

Schusswunden und andere Verletzungen, die nach einem Amoklauf oder Terrorakt vorkommen, können tödlich sein, egal wie gut die Erste Hilfe war. Es kann herausfordernd sein, den Grad einer Schusswunde aufgrund der sichtbaren Verletzungen einzuschätzen. Dessen müssen sich Ersthelfer:innen bewusst sein.

Klar ist: ein solches Erlebnis – ob es für die Patienten nun gut oder schlecht endet – ist auch für die Ersthelfer:innen einschneidend und äusserst belastend. Es muss unbedingt richtig verarbeitet werden. Unmittelbar nach dem Ereignis dürfte ein Care Team zur Verfügung stehen. Aber häufig ist es damit noch nicht getan und die Verarbeitung kann länger dauern oder sich erst später zeigen. Ersthelfer:innen sollten dann nicht zögern, professionelle Hilfe für die Verarbeitung dieser Erlebnisse zu beanspruchen.