Medikamente in der Betriebssanität: besser die Finger nicht verbrennen!

Es gibt sie noch immer: Merfen-Spray oder Kopfschmerztabletten in Erste-Hilfe-Koffern. Das ist medizinisch und rechtlich, sagen wir mal, irgendwo zwischen sehr heikel bis verboten.

Gemäss Heilmittelgesetz dürfen nur Ärzte, Zahnärzte oder Apotheker Medikamente verabreichen. Andere Personen dürfen das, sofern sie eine Kompetenzdelegation eines Arztes und idealerweise eine begleitende Ausbildung durch denselben Arzt vorweisen können. Typischerweise sind das Rettungssanitäter:innen – allerdings nur während ihrer Tätigkeit als Rettungssanitäter:innen und nicht während anderen Aufgaben, beispielsweise im Betrieb oder im Einsatz als First Responder.

Für eine Betriebssanität macht eine Kompetenzdelegation eigentlich nie Sinn. Betriebssanitäter:innen sind für die Erstversorgung im Notfall zuständig und müssen dringende Massnahmen ergreifen können. Um beim Merfen-Spray zu bleiben: Wundreinigungstücher unterliegen nicht dem Heilmittelgesetz. Sie töten keine Keime, sondern hemmen bloss deren Wachstum. Fürs erste reicht das aber. Ausserdem gibt es Wundreinigungssprays, die nicht als Medikament (Kategorie E) eingestuft sind und angewandt werden dürfen. Und zu den Kopfschmerzen: die sollten ärztlich abgeklärt werden, wenn sie stark sind oder nicht von alleine und verschwinden, beispielsweise nach einem grossen Glas Wasser. Es gibt übrigens auch Schmerztabletten-induzierte Kopfschmerzen, die durch regelmässigen Schmerzmittelkonsum auftreten. Alternativ kann die nächstgelegene Apotheke beraten und Kopfschmerztabletten abgeben.

Was ist ein Medikament?

Es ist nicht immer selbstsprechend, was ein Medikament ist und was nicht. Tendenziell fallen deutlich mehr Produkte darunter, als man meinen könnte, auch jede Menge rezeptfreie Produkte. Es handelt sich um ein Medikament, sobald die Verpackung mit einer Medikamentenvignette versehen ist.

Trotz allem gibt es Betriebe, denen ein kleines Sortiment an Medikamenten äusserst wichtig ist. Sie haben theoretisch die Möglichkeit, die Medikamentenabgabe über den Kantonsarzt zu regeln und die Kompetenzdelegation zu verlangen. In diesem Fall sollten sie zusätzlich ein Medikamenten-Abgabeformular erstellen, auf welchem die Patienten unterschreiben, dass sie von den Betriebssanitätern:innen auf Kontraindikationen, Interaktionen und Nebenwirkungen aufmerksam gemacht wurden und sie das Medikament in eigener Verantwortung einnehmen. Es kann aber heikel sein, den Chef fragen zu müssen, ob er ein Prostataproblem hat oder ob sie schwanger ist.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Betriebe mit einer solchen Kompetenz und solchen Formularen völlig aus dem Schneider sind. Sie sind rechtlich haftbar, selbst wenn die Betriebssanitäter:innen diese Medikamente nach der vorgegebenen Regelung abgeben. Mitarbeitende, die das ohne eine solche Regelung machen, sind sogar persönlich haftbar.

Was kann denn schon passieren?

Natürlich muss erst etwas passieren, damit dies relevant wird. Und doch hat jedes Medikament auch seine Nebenwirkungen. Merfen-Spray kann beispielsweise Nesselsucht oder gar anaphylaktische Reaktionen auslösen. Ein weit verbreitetes Schmerzmittel wie Dafalgan kann Erkrankungen des Blutes und Lymphsystems, anaphylaktische Reaktionen, Asthma, Atemwegsdepressionen, Niereninsuffizienz und vieles mehr verursachen. Es gibt Medikamente, die Müdigkeit verursachen, was am Arbeitsplatz äusserst gefährlich sein kann.

Hinzu kommt: für den Rettungsdienst und die später behandelnden Ärzte kann es unangenehm werden, wenn bereits Medikamente verabreicht wurden. Ihr Handlungsspielraum ist dann eingeschränkt, allenfalls sogar deutlich.

Aus medizinischer und aus rechtlicher Sicht würden wir vorschlagen: verbrennen Sie sich besser nicht die Finger und lassen sie die Hände weg von Medikamenten im Erste-Hilfe-Koffer!

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